Ab 2025 wird die digitale Barrierefreiheit verpflichtend. Doch was bedeutet das für Unternehmen? Auf welche Anforderungen gilt es sich einzustellen? Und vor allem, wie lassen sich Abmahnungen und Bußgelder vermeiden? In unserem Blogartikel haben wir die wichtigsten Neuerungen zur Barrierefreiheit für App- und Webseiten-Betreiber zusammengefasst.
Das BFSG: Zur Förderung der digitalen Inklusion
Im Juli 2021 wurde das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) verabschiedet. Es markiert einen bedeutenden Schritt zur Förderung von Barrierefreiheit, auch im digitalen Raum. Ab dem 28. Juni 2025 wird das Gesetz verbindlich. Für Unternehmen gilt, dass ihre IT-Systeme den gesetzlichen Anforderungen entsprechen müssen. Wir haben die vier wichtigsten Fakten zum Gesetz zusammengefasst.
Fakt 1: Was ist das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG)?
Das BFSG wurde mit dem Ziel verabschiedet, die Inklusion von Menschen mit Behinderungen, Einschränkungen und älteren Menschen am gesellschaftlichen Leben zu verbessern. Es definiert spezifische Anforderungen an die Barrierefreiheit von digitalen Diensten und Produkten, um sicherzustellen, dass sie für alle Nutzer*innen zugänglich sind.
Fakt 2: Welche Anwendungsbereiche betrifft das Gesetz?
Fakt 3: Welche Anforderungen müssen Unternehmen künftig erfüllen?
Die Schlüsselbestimmungen des BFSG regeln folgende Pflichten des Herstellers:
a. Gestaltung und Herstellung:- Produkte müssen gemäß den Barrierefreiheitsanforderungen der entsprechenden Rechtsverordnung gestaltet und hergestellt werden.
- Die Benutzerschnittstelle, einschließlich der Bedienelemente und Navigation, muss barrierefrei sein.
- Produkte müssen ohne besondere Erschwernisse und grundsätzlich ohne fremde Hilfe auffindbar, zugänglich und nutzbar sein.
Was heißt das für die Praxis?
Online-Plattformen müssen gemäß den Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) gestaltet werden, sodass die Anwendung für Menschen mit verschiedenen Behinderungen zugänglich ist.
Bsp.: Verwendung von alternativen Texten für Bilder, klare &leicht verständliche Inhalte, Implementierung von Tastaturzugriffsmöglichkeiten erreicht.
b. Konformitätsbewertungsverfahren:
Vor Markteinführung muss ein Konformitätsbewertungsverfahren durchgeführt werden, um sicherzustellen, dass es den geltenden Barrierefreiheitsanforderungen entspricht.
Was heißt das für die Praxis?
Eine umfassende Überprüfung der Zugänglichkeit und Benutzerfreundlichkeit für Menschen mit motorischen, visuellen oder auditiven Einschränkungen. Dies umfasst die Überprüfung auf Konformität mit den Barrierefreiheitsstandards, einschließlich Tests auf Tastaturzugriffsmöglichkeiten und alternative Texte für Bilder.
c. EU-Konformitätserklärung und CE-Kennzeichnung:
Der Hersteller muss eine EU-Konformitätserklärung ausstellen. Die CE-Kennzeichnung gemäß § 19 muss am Produkt angebracht werden, um die Konformität mit den geltenden Barrierefreiheitsanforderungen zu bestätigen.
Was heißt das für die Praxis?
Hersteller müssen vor Markteinführung eine gründliche Überprüfung durchführen, um sicherzustellen, dass die Produkte barrierefrei gestaltet sind.
Die Grundlagen zur Umsetzung bilden dabei:
- Rechtsverordnung: BFSGV
- Technische Anforderungen: DIN EN 301 549
Fakt 4: Welche Konsequenzen drohen bei Verstößen oder Nichteinhaltung der Barrierefreiheit?
Bei Verstößen drohen Bußgelder von bis zu 100.000 Euro (§ 37 BFSG enthält eine Liste von Verstößen und Bußgeldern). Darüber hinaus haben die Behörden das Recht, Produkte oder Dienstleistungen zu verbieten und Produktrückrufe anzuordnen.
Bei Verdacht auf Nichtkonformität mit den Barrierefreiheitsanforderungen müssen sofortige Korrekturmaßnahmen ergriffen werden. Ist die Konformität nicht möglich, muss das Produkt zurückgerufen werden. Der Hersteller muss die Marktüberwachungsbehörden über Nichtkonformitäten informieren und detaillierte Angaben machen. Die technische Dokumentation und die EU-Konformitätserklärung müssen für 5 Jahre in schriftlicher oder elektronischer Form aufbewahrt werden.
Fakt 5: Wie bereite ich meine App oder Webseite auf die neuen Anforderungen vor?
Der Einsatz von QA hilft dir dabei, Schwachstellen der Barrierefreiheit in deinem Produkt zu identifizieren und zu beheben. Es gibt 4 grundlegende Testingmethoden, um den Grad an Barrierefreiheit zu messen:
Manuelle Tests:
Menschliche Tester*innen überprüfen die Anwendung durch Interaktion mit der Benutzeroberfläche, um sicherzustellen, dass sie für barrierearm zugänglich ist.
Automatisierte Tests verwenden spezielle Software und Skripte, um automatisch verschiedene Aspekte der Barrierefreiheit zu prüfen, wie semantische Strukturen im HTML- und CSS-Code, Farbkontraste und die Einhaltung von Standards, wie die WCAG Richtlinien.
Mehr über Testautomatisierung >
Hier werden Proband*innen mit Behinderung eingebunden, um die tatsächliche Benutzbarkeit aus erster Hand zu bewerten. Die User führen typische Aufgaben aus, während die Testleiter*innen direktes Feedback sammeln und einstufen.
Expertenbewertung:
Erfahrene Fachleute analysieren die Anwendung auf potenzielle Barrieren basierend auf ihrem Fachwissen und ihren Erfahrungen.
FAQ – Häufige Fragen zum Thema BFSG
Muss ich mein bereits bestehendes Produkt/ Dienstleistung an die Anforderungen des BFSG anpassen?
Ja, wenn du bereits Produkte oder Dienstleistungen anbietest, musst du sicherstellen, dass sie den Barrierefreiheitsanforderungen entsprechen.
Gibt es Ausnahmen beim Barrierefreiheitsstärkungsgesetz?
Kleinstunternehmen (weniger als 10 Beschäftigte und max. 2 Mio. Euro Jahresumsatz) sind von den neuen Barrierefreiheitsregelungen befreit, wenn sie ausschließlich Dienstleistungen anbieten. Allerdings gelten sie nicht als Ausnahme, wenn sie digitale Produkte und Dienstleistungen oder finanzielle Transaktionen anbieten.
Weitere Ausnahmen gelten, wenn die Richtlinien eine grundlegende Veränderung des Produkts oder der Dienstleistung bedeuten würden oder die Umsetzung des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes eine unverhältnismäßige Belastung für den Wirtschaftsakteur darstellt.
Welche Kriterien werden im Rahmen von Barrierefreiheitstests überprüft?
Die Bewertung von Accessibility beruht auf vier Grundprinzipien:
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Wahrnehmbarkeit
- Hierbei wird überprüft, ob die digitalen Inhalte und Dienstleistungen für Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen in einer Weise präsentiert werden, die ihre Wahrnehmung unterstützt und ihnen einen gleichberechtigten Zugang ermöglicht.
Bsp.: Alternativen für Nicht-Text-Inhalte, Untertitel, Transkriptionen, Beschreibungen
- Hierbei wird überprüft, ob die digitalen Inhalte und Dienstleistungen für Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen in einer Weise präsentiert werden, die ihre Wahrnehmung unterstützt und ihnen einen gleichberechtigten Zugang ermöglicht.
-
Bedienbarkeit
- Die Anwendungen müssen für alle Benutzer zugänglich sein, unabhängig von ihren individuellen Fähigkeiten oder Behinderungen. Das Produkt muss dabei auch über Schnittstellen bedienbar sein
Bsp.: Anwendung ohne Maus , Tastaturbedienbarkeit für Menschen mit motorischen Einschränkungen
- Die Anwendungen müssen für alle Benutzer zugänglich sein, unabhängig von ihren individuellen Fähigkeiten oder Behinderungen. Das Produkt muss dabei auch über Schnittstellen bedienbar sein
-
Verständlichkeit
- Dies betrifft den Content. Texte sollten einfach verständlich sein, damit z.B. Menschen mit Lernbehinderung dem Inhalt folgen können.
Bsp.: Eingabehilfen, Anweisungen und Beschriftungen, die Usern ein einfacheres Verständnis erleichtern
- Dies betrifft den Content. Texte sollten einfach verständlich sein, damit z.B. Menschen mit Lernbehinderung dem Inhalt folgen können.
-
Robustheit
- Die Robustheit wird getestet, um sicherzustellen, dass alle Anwendungen konsistent und widerstandsfähig gegenüber Fehlern und Störungen, sowie kompatibel mit verschiedenen Plattformen und Geräten sind.
Bsp.: Ergänzungen durch Statusmeldungen, vollständige Start- und End- Tags und die exakte Codierung von Inhalten, die mit Auszeichnungssprache erstellt wurden.
- Die Robustheit wird getestet, um sicherzustellen, dass alle Anwendungen konsistent und widerstandsfähig gegenüber Fehlern und Störungen, sowie kompatibel mit verschiedenen Plattformen und Geräten sind.
Du willst noch mehr über das Thema Accessibility erfahren?
Können Barrierefreiheitstests auch schon im Entwicklungsprozess integriert werden?
Ja, dies ist sogar empfehlenswert, um Verstöße des Endproduktes gegen die gesetzlichen Vorschriften zu umgehen.
Hierfür kannst du folgende Tipps beachten:
- frühzeitige Planung
- Schulung der Entwickler in Barrierefreiheitsstandards
- Automatisierte Tests in die CI/CD-Pipeline integrieren
- regelmäßige Überprüfungen in Code-Reviews
- Einbeziehen von Nutzern mit Behinderungen in den Entwicklungsprozess
Eine Menge Informationen und du weißt gar nicht, wo du anfangen sollst? Unsere Expert*innen beraten dich gerne bei weiteren Fragen zum Thema Barrierefreiheit und unterstützen dich bei den Umsetzungen der gesetzlichen Vorschriften. Nutze vorab gerne unseren kostenlosen Accessibility Quick-Check und prüfe deine URL auf Verstöße gegen die WCAG 2.1 Richtlinien.